Die aktuelle Wirtschaftskrise, der wir nun das fünfte Jahr beiwohnen, ist keine Krise von Banken, Staaten oder politischen Kräften. Sie ist eine Krise der Gesellschaft insgesamt.
In der öffentlichen Darstellung wird diese Krise jedoch personifiziert und einzelnen Akteuren zugeordnet.
Im Wesentlichen gibt es zwei widerstreitende, medial in Szene gesetzte Strömungen.
Auf der einen Seite steht die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, stellvertretend für einen Sparkurs mittels Austeritätspolitik, in der Bankvorstände zum Geburtstag ins Kanzleramt geladen und „faule Südländer“ für Staatsschulden verantwortlich gemacht werden.
Die andere Seite wird vorwiegend von Politikern aus der „linken Ecke“, wie Alexis Tsipras (griech. Opposition Syrzia) oder Sarah Wagenknecht (DIE LINKE), vertreten.
Hier sind es „böse Spekulanten und Banken“ die verantwortlich für die Verschuldungsorgien der letzten Jahre gemacht werden.
Bei beiden Darstellungen handelt es sich um geschlossene Weltbilder, die je nach Gusto entsprechende Anhänger finden.
Die begleitende gesellschaftliche Debatte wird mittels Printmedien, Nachrichten, Talkshows usw. ausgetragen. Während das Medienfeuerwerk der privaten und öffentlich-rechtlichen Meinungsmacher tobt, verändert sich im Hintergrund rein gar nichts, es bleibt beim Status Quo.
Die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Marktwirtschaft wird so jeden Tag neu legitimiert und die Sündenbockstrategie wirkt einmal mehr.
Die Illusion, dass die jeweiligen Beschuldigten durch ihr Fehlverhalten die Krise erst hervorgerufen hätten, ist perfekt.
Diese Grundannahme einer Verantwortung Einzelner muss jedoch in ihr aussagenlogisches Gegenteil umgekehrt werden:
Die Krise ist deswegen ausgebrochen, weil alle Beteiligten ihre ökonomischen Funktionen in der Marktwirtschaft mit Bravour erfüllten und dies weiter tun!
Der Kapitalismus befindet sich deswegen in der Krise, weil alle ökonomischen Subjekte effizient die vom System vorgegebenen Werte erfüllen.
Es ist das auf Verwertung menschlicher Arbeitskraft basierende Kapitalverhältnis, das sich in einer fundamentalen Krise befindet.
Mittels Lohnarbeit und Warenproduktion muss aus Geld immer mehr Geld gemacht werden.
Der Effizienzzwang des Systems rationalisiert den Produktionsablauf, sorgt gleichzeitig für eine sich permanent beschleunigende Zurückdrängung abhängig Beschäftigter in den etablierten Industriezweigen und erzwingt, dass neu entstehende Wirtschaftssektoren diese freigesetzten Arbeitskräfte aufnehmen müssen, wenn nicht gesamtgesellschaftlich die Arbeitslosigkeit weiter ansteigen soll.
Es werden immer mehr Waren in immer kürzerer Zeit durch immer weniger Arbeitskräfte hergestellt.
Das System erstickt zusehends an seiner Produktivität!
Währenddessen wird der Kollaps des spätkapitalistischen Systems kontinuierlich verzögert und die Krise insgesamt vergrößert.
Diese sich immer schneller beschleunigende Systemkrise erklärt sich durch eine Analyse unserer jüngsten Wirtschaftsgeschichte.
Dem Niedergang der Phase anhaltender Prosperität in Westeuropa und den USA (1950-1970), welche durch den Neustart nach dem 2. Weltkrieg, dem daraus resultierenden Wiederaufbau und der Massenmotorisierung durch die Automobilbranche ausgelöst wurde, folgte, bedingt durch Inflation bei zeitgleicher Stagnation, Massenarbeitslosigkeit und einer fallenden Profitrate der Unternehmen, der Aufstieg des Neoliberalismus.
Der zuvor jahrelang verfolgten Wirtschaftspolitik des Keynesianismus durch den Staat (Keynesianismus= nachfrageorientierter Politikansatz, der dafür Sorge trägt, dass die massenhaft hergestellten Güter, auf eine massenhafte Nachfrage treffen) folgte die Einläutung der Phase des ungezügelten deficit spending (schuldenfinanzierter Nachfrageboom), quasi ein „privatisierter Keynesianismus“ von Banken, der sich darin äußert, dass sich Banken, Staaten und dessen Bürger zunehmend und immer ungehemmter verschulden.
Ein weiterer nicht unwesentlicher Grund des Aufstieges des Neoliberalismus liegt in den explodierenden Kosten des Vietnamkrieges verborgen, der überwiegend kreditfinanziert durch angeworfene Notenpressen bestritten wurde und bereits Ende der sechziger Jahre dafür sorgte, dass der Nennwert des US-Dollars im europäischen und japanischen Besitz (Devisenreserven) die US-Goldreserven überstiegen. Dies führte schließlich dazu, dass sich Präsident Nixon am 17.August 1971 genötigt sah, die Goldbindung des US-Dollar aufzuheben.
Den bunt bedruckten Papierzetteln fehlt seither jegliche Äquivalenz und ist somit reine Vertrauens- bzw. Glaubenssache.
Während die Jahre 1950-1980 vom Korporatismus (Arbeitnehmervertreter und Unternehmer sahen sich nicht mehr vorwiegend als Klassengegner, sondern in einem Boot sitzend; Stichwort in der BRD Sozialpartnerschaft) geprägt waren, änderte sich dies in den USA mit der 1980 ins Amt gewählten Reagan-Administration.
Ausprobiert wurden diese, seitdem immer zügelloser vollzogenen, Deregulierungen, Privatisierungen, Steuersenkungen, Sozialkahlschläge, Beschneidungen der Arbeitnehmerrechte bereits im Jahre 1973, nach dem CIA-initiierten Putsch in Chile und der darauf folgenden faschistischen Diktatur unter General Augusto Pinochet, und dienten so bereits in den siebziger Jahren als Blaupause der neoliberalen Offensive, die in den USA eine Dekade später immer mehr Raum greifen sollte.
Die Kürzungen im sozialen Bereich, oder anders ausgedrückt, die Erhöhung der Ausbeutungsrate innerhalb der Ökonomie, bewirkte mittelfristig eine leichte Erholung der Profitraten der Unternehmen, ohne jedoch jemals wieder das Niveau der Jahre 1950-1970 zu erreichen, allerdings mit der traurigen Konsequenz, dass die heute Lohnabhängigen in den USA de facto weniger verdienen als 1973.
Die massiven Steuergeschenke für Spitzenverdiener (der Spitzen-Steuersatz in den USA sank von 70% auf 28%) wurden im Rahmen der Trickle-Down-Theorie legitimiert, laut der der massiv zunehmende Reichtum der oberen Zehntausend durch die Ökonomie bis zu den Ärmsten „hindurch sickern“ würde.
Entgegen der neoliberalen Annahme, dass diese Steuergeschenke wieder investiert würden, flossen die milliardenschweren Überschüsse in den immer weiter deregulierten Finanzsektor, der somit als Puffer, der infolge der prosperierenden Wirtschaft von 1950-1970 gesättigten Märkte und unter nachlassenden Profitraten leidenden Industrie wirkte, und eine, wie wir heute wissen, zerstörerische Sprengkraft entfalten sollte.
Ersten Krisenerscheinungen (schwarzer Montag 1987) wurde klassisch neoliberal mit weiteren Deregulierungen(Aufhebung der Regulierung der kommunalen Geldinstitute, weitere soziale Kahlschläge etc.) begegnet.
Der zunehmend wild und unkontrolliert expandierende Finanzsektor wirkte dabei zunächst stimulierend auf die Konjunktur, half indirekt, aber eben nur mittelfristig, die Effekte wirtschaftlicher Stagnation zu mildern und war Treibstoff für die neoliberalen Apologeten und diente der Bestätigung ihrer Theorien.
Da aber das Finanzkapital im Kapitalismus denselben Zwängen unterliegt, die auch der gewöhnlichen verarbeitenden Industrie innewohnen, erfolgte das kapitalistisch notwendige Wachstum nun in Form von der bis heute nicht endenden Ausweitung von Krediten, also der immer erfolgreicheren Vermarktung weiterer Schulden.
Die Ware des Finanzkapitals ist nun einmal Geld.
Und so bilden sich, systembedingt, immer mehr und immer schneller, globale, durch das Finanzsystem kreditfinanzierte Defizitkreisläufe heraus, die mit verstärkter Blasenbildung einhergehen müssen.
Die sich dabei am extremsten verschuldende Volkswirtschaft ist die USA, die somit als eine Art Konjunkturpumpe die weltweite Überschussproduktion der exportorientierten Volkswirtschaften, BRD, China etc. abschöpft, die ihre Einnahmen wiederum im US-Finanzsektor reinvestieren.
Dieser sich exponentiell beschleunigende und verheerende Kreislauf ist systemimmanent, transportiert die Vermögensverhältnisse immer schneller von arm nach reich und hat entsetzliche Folgen für die Masse der Menschen auf unserer Erde.
Heute ist es so:
dass das reichste eine Prozent der Weltbevölkerung (inkl. Kinder) 99% allen Vermögens der Welt besitzt, während sich 99% mit einem Prozent des Weltvermögens begnügen müssen.
dass das Vermögen der drei reichsten Männer größer ist als das gemeinsame Bruttosozialprodukt der 48 am wenigsten entwickelten Länder, in denen zusammen 600 Millionen Einwohner leben.
dass eine Milliarde Menschen in Slums und zwei Milliarden ohne Elektrizität leben.
dass 57.000 Menschen jeden Tag verhungern.
Es ist das System, das diese Zahlen zulässt, keine gierigen Spekulanten, keine faulen Menschen, nicht die Arbeitslosen, Sozialhilfeempfänger etc.
Dieses System sind wir alle zusammen! Wir alle lassen gemeinsam zu, dass der Kapitalismus an jedem Tag und in jeder Nacht weiter existieren kann.
Er ist von Menschen gemacht und kann nur von Menschen überwunden werden.
Kleine Reformen wie Vermögenssteuern, Regulierung der Finanzmärkte, Besteuerung von Kapitaltransaktionen etc. können lediglich den Übergang zu einem kooperativen, ressourcenschonenden und humanen Wirtschaftssystem begleiten.
Unsere Zielsetzung wird aber immer die Überwindung der uns umgebenden Barbarei insgesamt sein.
Auf Konkurrenz ausgerichtete Gesellschaften werden langfristig nicht überleben können.
Der Kooperation gehört die Zukunft.
Wir sind uns sicher: Unsere Erkenntnisse werden immer weiter durchsickern, wir werden nicht müde, diese Botschaft auf allen uns zur Verfügung stehenden Kanälen weiter zu verbreiten.
let's trickle this down.
kooperativ / bunt / laut
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