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Ruiniert Gier die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens?

Veranstaltung der Frankfurter Bürger-Universität am 10.12.2012

 

Artikel vom 11.12.2012
Artikel vom 11.12.2012

Die dritte Veranstaltung der Frankfurter Bürger-Universität dieses Jahr zum Thema „Demokratie im Würgegriff der Finanzmärkte“ stand unter dem Motto „Falsche Anreize – Ruiniert Gier die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens". Zur Podiumsdiskussion waren folgende Gäste geladen: Prof. Stefan Alkier (Theologe), Prof. Guido Friebel (Ökonom), Prof. Rolf Haubl (Psychologe) und Prof. Sighard Neckel (Soziologe). Die Veranstaltung wurde von Dr. Rainer Hank moderiert, der als Ressortleiter für die Bereiche „Geld & Mehr“ sowie die Wirtschaft bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung tätig ist. Da die Bürger-Universität in diesem Jahr einen enorm großen Anklang mit ihrer aktuellen Themenreihe gefunden hat, findet die Diskussionsreihe seit der zweiten Veranstaltung in einem Hörsaal der Goethe-Universität auf dem Campus Bockenheim statt. Wir begrüßen es, dass die zuständigen Veranstalter auf die Bedürfnisse und Wünsche der Interessierten eingehen, nicht nur die Raumfrage wurde gelöst, sondern den Bürgern wird nun auch mehr Zeit gegeben, um ihre eigenen Fragen zu stellen, so dass sie nicht mehr nur als Zuschauer zugegen sind, sondern sich auch einbringen können. Nur mit den Mikrofonen gibt es weiterhin Probleme, wir hoffen, dass auch die technischen Schwierigkeiten bis zur nächsten Veranstaltung gelöst werden können.

Der Einstieg erfolgte mit einem kurzen Impulsvortrag von Prof. Neckel zum Thema „Gier“, in dem er auch auf die neurobiologischen Vorgänge eingegangen ist, die während dieser Gefühlsregung ablaufen. Er hat das giergesteuerte Verhalten mit dem eines Drogensüchtigen verglichen und darauf hingewiesen, dass das Erreichen eines Ziels keine Befriedigung bei gierigen Menschen auslöst, da der Zustand des Haben-Wollens die eigentliche Sucht dieser Menschen ist. Seine Theorien hat er mit anschaulichen Beispielen, u.a. mit einer Szene aus dem Film „Wall Street“ unterlegt.

Danach startete Dr. Hank seine Fragerunde, in der die Position der übrigen Diskutanten zum Thema deutlich wurde. Prof. Haubl machte deutlich, dass die aktuelle Forschung in seinem Fachbereich davon ausgeht, dass Menschen nicht automatisch gierig werden, wenn sie in einem bestimmten Arbeitsfeld tätig sind. Vielmehr haben viele Bankangestellte mit moralischen Dilemmata zu kämpfen, weil sie ihre Vorgaben erfüllen müssen. Einerseits müssen sie für ihren Arbeitgeber lukrative Geschäfte abschließen, andererseits wollen sie ihren Kunden keine Produkte andrehen, die sie selbst nicht innehaben wollten. Dies führt dazu, dass sie psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Prof. Haubl wies darauf hin, dass die Zahl der psychologischen Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist, wobei er einen Zusammenhang mit der heutigen Lebensweise sieht. Laut ihm gibt es jedoch Menschen, die für die Suchtform Gier weitaus anfälliger sind als andere. Menschen, die davon betroffen sind, erkennen es selbst jedoch nicht, wenn diese psychologische Hilfe suchen, kommen sie meist aus anderen Gründen, es ist ihnen nicht bewusst, wo ihr wirkliches Problem liegt.

Prof. Alkier ging besonders auf den Wandel des Begriffes Gier ein, den dieser im Laufe der Zeit durchlaufen hat. War er in der Antike ausschließlich negativ konnotiert, so vermittelt er in der heutigen Zeit durchaus einen positiven Aspekt. Dies sieht der Theologe als problematisch an, denn wenn die Gier gesellschaftlich akzeptiert ist, gibt es keinen Grund mehr für die einzelnen Individuen, ein nach Gier ausgerichtetes Verhalten bei sich selbst zu unterbinden, ganz im Gegenteil: Wer heutzutage ein rücksichtsloses, egoistisches und gieriges Gebaren an den Tag legt, wird mit beruflichem Erfolg belohnt.

Eine völlig andere Meinung vertrat der Ökonom Prof. Friebel. In Analogie zum Sport lobte er die Gier als etwas durchaus Erstrebenswertes, da durch diese seiner Meinung nach Erfolge einträten. Er führte dazu den Fußballverein Borussia Dortmund an, der nur so erfolgreich sei, weil die Spieler gierig auf den Sieg seien. Der Vergleich wirkte auf die Zuschauer allerdings etwas an den Haaren herbeigezogen, vor allem, weil beim Fußball ein strenges Reglement von Nöten ist, um Gewalttätigkeiten zu unterbinden, was auch nicht immer gelingt. Bei einigen seiner Aussagen stellten wir uns die Frage, ob dieser Mensch überhaupt auf dem gleichen Planeten wie wir beheimatet ist. Dazu gehören sein Statement, dass es heute für die Menschen viel einfacher sei, ein eigenes Haus zu bauen wie noch vor paar Jahrzehnten. Dass viele Leute ihre Miete heutzutage kaum noch bezahlen können und sie massenweise auf Grund von Zwangsräumungen auf die Straße gesetzt werden, momentan besonders in Spanien, schien er noch nicht mitbekommen zu haben, stattdessen pries er, dass 80 % der spanischen Bevölkerung ein eigenes Haus hätten. Des Weiteren ließ er verlauten, dass jeder heute die freie Berufswahl habe, ein reiner Hohn, wenn man sich die aktuelle Arbeitslosigkeit betrachtet. Noch ist die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland noch weit von der in Spanien entfernt, aber dennoch haben viele Jugendliche Schwierigkeiten, überhaupt noch einen Ausbildungsplatz zu finden. Die Zahlen bei uns werden zudem dadurch geschönt, dass zahlreiche dieser Menschen nicht in den Statistiken auftauchen, weil sie ein weiteres Jahr zur Schule gehen, ein freiwilliges soziales Jahr machen oder sich schlichtweg nicht arbeitslos melden.

Nach dieser geleiteten Fragerunde kamen endlich die Bürger zu Wort. Leider wurden sie wieder einmal noch vor der ersten Beteiligung dazu angehalten, sich so kurz wie möglich zu fassen und lediglich Fragen zu stellen. Das ist schade, denn so kann kein wirklicher Dialog zustande kommen. Vor allem sind einige der Anwesenden teilweise besser informiert als die Diskutanten und bringen völlig neue Sichtweisen in die Debatte ein. Deshalb wäre es schön, wenn man auch jemanden aus dem Publikum wenigstens 3-5 Minuten Redezeit zugestehen würde, innerhalb der dieser auch die eigene Position zum Ausdruck bringen könnte. So wurden zunächst Fragen aus dem Publikum gesammelt, bevor sie an die Experten auf dem Podium weitergegeben wurden. Auf manche Beiträge wurde dabei leider nicht eingegangen. An dieser Stelle sollte der Moderator die Fragestellungen mit mehr Sorgfalt notieren und zudem gegebenenfalls kritische Rückfragen stellen, wenn keine direkte Antwort gegeben wurde. Dennoch kann man sagen, dass die Veranstalter darauf achten, dass Fortschritte erzielt werden, indem sie z.B. die Fragezeit des Moderators verkürzt haben, um den Bürgern Frankfurts mehr Raum für ihre Fragen zu geben. Wir hoffen, dass weiterhin darauf hingearbeitet wird, den Ablauf der Veranstaltung zu verbessern und freuen uns schon auf die nächste Podiumsdiskussion mit dem Titel „Enteignung der öffentlichen Hand“, die am Montag, den 17. Dezember im Hörsaal der Universität stattfindet und zu der unter anderem Sahra Wagenknecht geladen ist. Noch mehr würden wir uns freuen, wenn einige unserer Leser diesen Artikel zum Anlass nehmen, selbst einmal zu einer der folgenden Veranstaltungen zu kommen!

 

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Kommentare: 2
  • #1

    till (Mittwoch, 12 Dezember 2012 01:19)

    hallo, danke für den artikel der den abend super wiedergibt, klasse veranstaltungsreihe der bürger uni...nächste woche spannendes thema und endlich eine politikerin dabei, sarah wagenknecht kommt!
    ergänzend wäre noch zu sagen, dass die anschliessende sehr weiterführende diskussion bei dr. flotte den abend perfekt abgerundet hat. danke allen beteiligten. lg till

  • #2

    Detlef (Mittwoch, 12 Dezember 2012 19:37)

    ... war ein sehr netter Abend - vielen Dank für den Hinweis, die Gesellschaft und den super Beitrag s.o.!