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Elliotts Würgegriff

Artikel vom 04.12.2012
Artikel vom 04.12.2012

Die Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit Argentiniens um fünf Stufen, von der Note B auf CC, herabgestuft. Ein Zahlungsausfall des aufstrebenden Schwellenlandes sei sehr wahrscheinlich, hieß es aus New York.

Dem Downgrading ging ein Gerichtsurteil des ebenfalls in New York ansässigen Richters Thomas Griesa zuvor.

In einem jahrelang andauerenden Rechtsstreit entschied der US-Richter letzte Woche zu Gunsten der Gläubiger, die sich weigerten, den beschlossenen Abschlag von 70%, eine Konsequenz der Einstellung des Schuldendienstes und folgendem Schuldenschnitts Argentiniens vor elf Jahren, zu akzeptieren.

Die Klage gegen Argentinien wird maßgeblich von dem Hedgefonds-Milliardär Paul Singer vorangetrieben und beeinflusst.

Singers Hedgefonds NML Capital, der zu den berüchtigten Elliott Associates Fonds gehört, hatte vor dem damaligen Staatsbankrott argentinische Anleihen zum Schnäppchenpreis gekauft und sich anschließend nicht, wie die überwiegende Mehrzahl der Investoren, am Forderungsverzicht bei den Umschuldungsrunden in den Jahren 2005 und 2010 beteiligt.

Elliott Associates ist bekannt dafür, kurz vor der Pleite von Staaten und Unternehmen Anleihen und Unternehmensanteile im großen Stil einzukaufen.

Bahnt sich irgendwo eine Staats- oder größere Konzernpleite an, zeichnet der Investor zum Spottpreis entsprechende Anleihen oder Anteile. Wird in der Folge die erwartete Zahlungsunfähigkeit verkündet, klagt der Investor auf volle Rückzahlung.

Konzerne wie Enron und Wordcom; Staaten wie Peru, Kongo und jüngst Griechenland sind dieser Strategie bereits zum Opfer gefallen.

Auch im Fall Argentinien erwarb Elliott argentinische Anleihen zu einem Zeitpunkt, als viele Experten den Zahlungsausfall bereits prognostizierten. Der Fonds kaufte große Anleihenpakete deutlich unter dem Nominalwert und besteht seither auf Auszahlung des kompletten Nennwertes.

Eine profitable Strategie: Der Gewinn für Singer alleine im "Argentinien-Deal" würde eine Milliarde US-Dollar betragen.

Hintergrund

In den achtziger Jahren hatten sich viele lateinamerikanischen Länder, so auch Argentinien, in die Abhängigkeit des IWF begeben.

Während der Militärdiktatur unter Jorge Videla verfünffachte sich die Auslandsverschuldung Argentiniens von 8 auf 43 Milliarden Dollar. Gleichzeitig wurden die Löhne drastisch reduziert. Das erhoffte Wirtschaftswachstum blieb aus und die Inflationsrate schoss nach oben. Der IWF sprang gerne ein und verabreichte seine bekannte neoliberale Medizin.

So wurde der öffentliche Dienst "verschlankt", die wirtschaftlichen Grenzen für das internationale Kapital und seine transkontinental agierenden Konzerne geöffnet und dutzende Sozialleistungen gestrichen.

Anfang der neunziger Jahre übernahm Carlos Menem die Regierungsgeschäfte und öffnete die Schleusen der Verschuldung immer weiter.

Staatliches Tafelsilber wie die Fluggesellschaft Aerolineas Argentina und der Ölkonzern YPF wurden verhökert, die Landeswährung Peso reformiert und an den Dollar gekoppelt. Die Liberalisierung des Agrarbereichs wurde vorangetrieben, während gleichzeitig die Arbeitsgesetze weiter flexibilisiert und die Steuern für Unternehmen radikal gesenkt wurden.

Die Weltbank und der Währungsfonds IWF waren begeistert und vergaben, trotz Vorboten von Zahlungsausfällen in anderen lateinamerikanischer Länder wie Mexiko ("Tequilla-Schock"), Mitte der neunziger Jahre immer höhere Kredite.

Von den geliehenen Milliarden profitierten, ähnlich der heutigen Situation Griechenlands, regelmäßig Großbanken und Investmentfonds.

Die Auslandsschulden stiegen auf 147,2 Milliarden Dollar, die Mehrwertsteuer von 14 auf 21%. Von den 36 Millionen Argentiniern lebten 14 Millionen offiziell unterhalb der Armutsgrenze.

Zudem zogen die Zinssätze der privaten Investoren immer weiter an, da nach der Logik der Finanzmärkte das Risiko steigt, je dringender ein Land frisches Geld braucht und sei es nur, um seine Altkredite zu bedienen (wiederum eine spiegelbildliche Situation zur Schuldenkrise innerhalb der EU heute).

Während die Reichen reicher wurden und die Armen ärmer, verlangte der IWF, unter der Führung des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Horst Köhlers und damaligen Chefs des IWF, für den Haushalt des Jahres 2000 eine weitere Streichung der Staatsausgaben von 2,5 Milliarden Dollar. Die Arbeitslosenrate erreichte zweistellige Höhen, dann brach das Kartenhaus zusammen.

Der verzweifelte Versuch, die Parität von Peso und US-Dollar aufrecht zu erhalten, zerbröckelte zusehends. Als mehrere wichtige Nachbarländer, darunter Brasilien, ihre Währungen abwerteten, stand Argentinien mit einer für die Region überbewerteten Währung da, was seine Ausfuhren gegenüber anderen lateinamerikanischen verteuerte und das Handelsdefizit vergrößerte.

Ende 2001 waren Argentiniens Dollar-Reserven erschöpft; der Peso konnte nicht mehr 1 zu 1 in Dollar getauscht werden und wurde von der Regierung freigegeben.

Auch das letzte vom IWF geschnürte Hilfspaket von 39,7 Milliarden US-Dollar (natürlich mit Auflagen versehen) konnte nicht mehr verhindern, dass Argentinien in der Folge im Chaos versank.

Die Bevölkerung revoltierte, der Ruf der Massen "Que se vayan todos", alle Politiker sollen verschwinden, schallte durch die Straßen und Plätze Argentiniens.

im Jahr 2001 gehörten 90% der Banken und 40% der Industrie ausländischen Unternehmen. Die Ausslandsverschuldung war viermal so hoch wie 1983, das Gesundheits- und Bildungswesen war demontiert.

Die Regierung, die von den Linksperonisten Nestor Kirchner (heute ist seine Frau Cristina Kirchner Staatspräsidentin) übernommen worden war, setzte darauf den Schuldendienst aus, fror Bankguthaben ein und wertete den Peso ab.

"Es gibt ein Leben nach dem IWF...und das wird ein gutes sein", waren die Worte von Nestor Kirchner, der mit diesem Satz die wieder erlangte Unabhängigkeit seines Landes einläutete.

Bereits Ende 2005 konnte Argentinien seine Schulden beim IWF tilgen, wenige Monate nach dem radikalen Schuldenschnitt, mit dem die Regierung den Gläubigern den Verzicht auf etwa zwei Drittel Ihrer Forderungen abgerungen hatte.

"Wir haben mit einem Monster Schluss gemacht, das uns unterdrückt hat", hieß es fortan aus Argentinien.

 

Nun, das Monster ist weiter gezogen, hat die EU, vornehmlich Griechenland, als neue Spielwiese auserkoren und klopft demnächst vielleicht noch einmal an Argentiniens Türe an.

Ungewisse Zukunft

Keinen Cent für die Aasgeier!

Gegen den Richterspruch von Thomas Griesa legte die argentinische Regierung umgehend Berufung ein, Wirtschaftsminister Hernan Lorenzino erklärte, seine Regierung halte es für "nicht legitim, Geierfonds auszuzahlen".

Für Argentinien geht es um viel: Bekommt NML Capital am Ende recht, werden 1,3 Milliarden Dollar fällig. Und solange deren Forderungen nicht erfüllt sind, so dass Urteil weiter, dürfen auch die Gläubiger nicht bedient werden, die sich seinerzeit am Schuldenschnitt beteilgt hatten und auf zwei Drittel Ihrer Forderungen verzichtet hatten. Dies waren über 90% der Gläubiger. Es ist davon auszugehen, dass, sollte Paul Singer Erfolg haben, diese Gläubiger dann ebenfalls auf volle Bedienung ihrer Forderungen bestehen würden, dann geht es um 11 Milliarden Dollar.

Auch für Griechenland könnte das Urteil von Bedeutung sein:

Seit einiger Zeit kaufen zahlreiche Hedgefonds, darunter auch Elliott Associates NML Capital, günstig griechische Staatsanleihen auf. Eine Anleihe mit einem Nominalwert von 1.000,00 Euro war vor dem letzten Hilfspaket an Griechenland auf dem internationalen Anleihemarkt für unter 200,00 Euro zu erwerben.

Sollten, wovon auszugehen ist, diese Fonds auf Rückzahlung des vollen Nennwertes bestehen, schnappt die Falle erneut zu.

Zwar hat Griechenland für diesen Fall ein nationales Gesetz verabschiedet, das eine solche Attacke abwenden soll, doch ist es unter Fachleuten äußerst ungewiss, ob es damit international durchkäme.

Für Argentinien erhöht sich der Druck auf mehreren Ebenen. Die bekannten Akteure treiben ihr perfides Spiel. So erschwert die Herabstufung der argentinischen Zahlungsfähigkeit durch die Ratinagentur Fitch dem Land, auf dem internationalen Markt Kredite zu bekommen.

Dazu jagt NML Capital rund um den Globus argentinische Vermögenswerte.

"Im Oktober gelang der bisher größte Coup: Der Hedgefonds schaffte es per einstweiliger Verfügung, das argentinische Segelschulschiff "Libertad" in Ghana beschlagnahmen zu lassen." [1]

Singers Anwälte nutzen konsequent alle Schlupflöcher aus.

Wer weiss, dass NML vor nichts haltmacht; dem Kongo wurden 90 Millionen Dollar Entwicklungshilfe kurzer Hand gesperrt; kann für die Zukunft nichts gutes ahnen.

 

Wie, so fragt sich vielleicht der geneigte Leser, kann ein US-Gericht überhaupt über die Schuldenrückzahlung eines souveränen Staates wie Argentinien entscheiden?

Argentinien hatte seine Anleihen unter US-Recht über die New Yorker Geschäftsbank New York Mellon in Dollar ausgegeben, um sie für internationale Investoren attraktiver zu machen, das kommt nun wie ein Bumerang zurück. 

 

Bekommt Paul Singer recht, profitiert der Fonds doppelt:

Auf die von Fitch prognostizierte Zahlungsunfähigkeit Argentiniens, die als Konsequenz nach Bedienung des kompletten Nennwertes der von NML und anderen gehaltenen Anleihen wahrscheinlich wären, spekuliert NML Capital bereits heute, mittels Ausfallversicherungen auf die Pleite Argentiniens.

Perfider gehts kaum.  

 

Wir werden auf unserer Seite weiter über den Fortgang des Falls berichten und wünschen und hoffen, das der internationale Druck und die Solidarität für Argentinien und alle anderen Länder in der Schuldenfalle, von breiter Masse gestärkt und getragen wird.

Wir werden in unserem Rahmen dafür sorgen, dass Thema auf allen Kanälen zu besprechen.

Die Parallelen der Verschuldungsspiralen von Lateinamerika und der heutigen Situation in den Zentren des Kapitalismus, der EU, sind erschreckend. Es sollte jeder verstanden haben, was auf dem Spiel steht...hier geht und ging es schon immer um uns! 

 

Das Monster Elliott und seine Freunde sind noch lange nicht satt...verhindern wir gemeinsam, dass sie weiter fressen können!

 

"Der weltweite Wettlauf um die Aneignung von Reichtum durch Finanzmanipulationen ist die treibende Kraft der Krise. Er ist auch die Quelle aller wirtschaftlichemn Verwerfungen und des sozialen Elends.

Die Manipulation der Marktkräfte durch mächtige Finanzakteure ist eine Form des Finanz- und Wirtschaftskriegs. Verlorene Territorien müssen nicht rekolonisiert oder durch Armeen zurückerobert werden.

Heute kann die Eroberung von Nationen, die Kontrolle über ihre Produktivvermögen, ihre Arbeitskräfte, natürlichen Ressourcen und Institutionen in unpersönlicher Weise von Konzernzentralen aus durchgeführt werden: Die Kommandos werden an einem Computerterminal eingegeben oder per Handy erteilt, erreichen umgehend die großen Finanzmärkte und können so unmittelbar die Erschütterung ganzer Volkswirtschaften auslösen.

In der Finanzkriegsführung kommen auch komplexe Spekulationsinstrumente zum Einsatz, darunter die ganze Bandbreite des Derivatehandels, der Devisentransaktionen, Devisenoptionen, Hedgefonds, Indexfonds usw.

Solche spekulativen Instrumente werden mit dem Ziel eingesetzt, finanziellen Reichtum anzuhäufen und Kontrolle über Produktivvermögen zu erlangen." [2]

 

Elliotts Würgegriff zu entkommen, Finanzakteure in Ihre Schranken zu verweisen, ist dann nicht schwer, wenn wir zusammenhalten und das Treiben der Finanzhaie konsequent öffentlich machen und uns für unsere Rechte hier und in der Welt einsetzen.

 

Solidarität ist keine Einbahnstraße, war sie noch nie! 

 

 

[1] TAZ Online Artikel "Die Geierfonds kreisen schon" vom 28.11.2012

[2] Michel Chossudovsky, Global Brutal 1997, Verlag Zweitausendeins

 

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