„Niemand ist hoffnungsloser versklavt als der, der fälschlich glaubt, frei zu sein.“
- Johann Wolfgang Goethe -
„Wenn auf der Erde die Liebe herrschte, wären alle Gesetze entbehrlich“
- Aristoteles -
Warum ist der Kapitalismus nicht in der Lage, die Menschen zufrieden und glücklich zu machen?
Wie kann das erzeugte Leid abgewendet werden?
Wie müsste eine Wirtschaftsordnung beschaffen sein, die das Wohlsein fördert?
Diesen Fragen gehen wir in Forderung 6 näher auf den Grund.
Der Gegensatz der Arbeitswelt zum privaten Umfeld ist evident.
Während im Beruf Werte wie Gewinnstreben, Konkurrenz und Egoismus vorherrschen, fühlen wir uns im privaten Umfeld dort am wohlsten, wo wir menschliche Werte wie Gemeinschaftlichkeit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Respekt oder einfach nur Zuhören erfahren.
Werte innerhalb einer Gesellschaft bilden die Essenz des Zusammenlebens, an ihnen orientieren wir uns, sie bestimmen und prägen unseren Charakter.
Der Widerspruch zwischen dem Arbeitsalltag und dem privaten Leben wirkt jedoch katastrophal auf die Bewusstseinsbildung der einzelnen Gesellschaftsmitglieder.
Welcher Empfindung sollen wir nachgeben, wenn im privaten Umfeld Vertrauen, miteinander kooperieren und teilen unser Sein bestimmen und plötzlich in einem wesentlichen Teilbereich des Lebens die komplett gegensätzliche Richtung; Eigennutz, Konkurrenz und Gier; von uns verlangt wird?
Wie sollen wir herausfinden welcher der diametral entgegen stehenden Richtungen uns nun im Leben weiter bringt? Wie lässt sich mit diesem immer währenden Antagonismus eine humane Identität entwickeln? Was macht uns und unser Umfeld glücklich und zufrieden? Was ist richtig, was ist gerecht?
Für Recht und Ordnung ist der Staat zuständig. Wer ist der Staat? Das sind doch auch wir, oder?
Eine Mitsprachemöglichkeit, um auf laufende Gesetzgebungsverfahren Einfluss zu nehmen, haben wir allerdings nicht.
Relevante Informationen zur Meinungsbildung bekommen wir auch nicht, oder wenn, dann nur sehr mühsam.
Wichtige, weitreichende, in unsere privatesten Lebenbereiche eindringende Vertragswerke haben nicht selten 500 Seiten, keine aussagekräftigen, geradezu getarnte Bezeichnungen (z.B. Lissabon-Vertrag) und sind in einer Juristensprache verfasst, die genauso spannend wie die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Telekom sind.
Unsere Meinung wird bei diesem Prozess nicht eingeholt.
Wir dürfen alle 4 Jahre wählen, mehr nicht.
Der Souverän muss daher, entgegen der Verlautbarung unseres Grundgesetzes, jemand anderes sein.
Nennen wir diesen anderen Souverän Gesetzgeber. Stellen wir jetzt diesem Gesetzgeber unsere soeben formulierten Fragen;
seine Antwort lautet: geh den Weg des Wettbewerbs, der Konkurrenz, des Privateigentums, sei egoistisch.
Nicht in dieser Direktheit natürlich, denn in keinem Gesetz steht: „Du sollst egoistisch, gierig oder rücksichtslos sein.“
Aber in zahlreichen Gesetzen, Regulierungen und Abkommen der Nationalstaaten der EU und WTO steht, dass wir in der Wirtschaft nach Gewinn streben sollen und dies im Sinne des Wettbewerbs, sprich der Konkurrenz zu vollziehen haben. Diverse Ökonomen, immer wieder Adam Smith, werden bemüht, um diesen Weg zu rechtfertigen.
Und es hört sich ja auch gut an: die Theorie der freien Märkte; wer ist schon gerne unfrei?
Dass die meisten Mitglieder der Gesellschaft im System sehr wohl unfrei sind, wird bewusst verschwiegen und vertuscht.
Haben wir einmal erkannt, dass der Kapitalismus...
a. einen Werteverfall innerhalb der Gesellschaft voran treibt;
b. unsere Sinne für das Wesentliche, das Humane verloren gehen lässt;
c. die ökologische Zerstörung vorantreibt;
d. die Demokratie Stück für Stück demontiert;
e. unsere Gefühle von sozialer Polarisierung und Angst leiten lässt;
f. nicht in der Lage ist, das Verhungern von Menschen auf dieser Welt zu stoppen;
stellt sich die Frage, wie wir diesem sich permanent beschleunigenden Elend entkommen können.
Wie müsste eine Wirtschaftsordnung beschaffen sein, die kooperative, uns einende Elemente fördert, um unser gesellschaftliches Wohlsein insgesamt zu erhöhen?
Viele Menschen haben sich diese Frage bereits gestellt und alternative Wirtschafts-Formen entwickelt.
Einige seien hier genannt:
Michael Albert und seine Participatory Economics (Parecon)
Albert Fresin und die Bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft
Gil Ducommun und seine Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaft
Sven Giegold und andere mit der Idee der solidarischen Ökonomie
Ulrich Peter mit der Vorstellung einer zivilisierten Wirtschaftsethik
Karl Hohmann und die ethische Ökonomie
Joachim Sikora und die komplementäre Zeitwährung
John Maynard Keynes und die Idee einer internationalen Clearing Union
Diverse die sich in der Decroissance-Bewegung zusammen schließen
Parteineutrale Gruppe von Menschen mit der Idee vom Bandbreitenmodell
Die Wissensmanufaktur und ihr Plan B
Bernd Hückstedt und sein Joytopia
Christian Felber und die Gemeinwohlökonomie
u.v.m.
unsere Bewegung sieht mit der Idee der Gemeinwohlökonomie von Christian Felber derzeit dass aussichtsreichste Potenzial, um in einer Übergangszeit die Wirtschaft zu organisieren.
Uns ist bewusst, dass nicht ein System alleine das Allheilmittel darstellen kann, diesen Anspruch verfolgt auch keine der hier genannten Alternativen.
Im Gleichklang mit der Umstellung der Geldversorgung und des Bankwesens, der Neuregelung des Zinssystems und der Errichtung einer Monetative (Forderung 7), der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (Forderung 8) und der Zähmung der täglichen Gehirnwäsche durch Medien und Werbung (Forderung 10), stellt die Gemeinwohlökonomie wichtige Weichen in die richtige, nämlich die kooperative Richtung.
Auf der Internetseite www. gemeinwohl-ökonomie.org wird die Idee in 20 Punkten dargestellt.
Wir veröffentlichen hier einige aus unserer Sicht wichtige Ideen und laden herzlich dazu ein, sich diese Seite, aber auch alle anderen oben genannten, näher anzuschauen und aktiv in den Prozess der Verwirklichung einer glücklicheren Wirtschaftsordnung beizutragen.
Auszüge aus der 20-Punkte-Zusammenfassung der Gemeinwohlökonomie:
1. Die Gemeinwohl-Ökonomie beruht auf denselben Grundwerten, die unsere Beziehungen gelingen lassen: Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität und Teilen. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sind gelingende Beziehungen das, was Menschen am glücklichsten macht und am stärksten motiviert.
2. Der rechtliche Anreizrahmen für die Wirtschaft wird umgepolt von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben und Kooperation. Unternehmen werden für gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit belohnt. Kon(tra)kurrenz ist möglich, bringt aber Nachteile
3. Wirtschaftlicher Erfolg wird nicht länger mit (monetären) Tauschwertindikatoren gemessen, sondern mit (nichtmonetären) Nutzwertindikatoren. Auf der Makroebene (Volkswirtschaft) wird das BIP als Erfolgsindikator vom Gemeinwohl-Produkt abgelöst, auf der Mikroebene (Unternehmen) die Finanzbilanz von der Gemeinwohl-Bilanz. Diese wird zur Hauptbilanz aller Unternehmen. Je sozialer, ökologischer, demokratischer und solidarischer Unternehmen agieren und sich organisieren, desto bessere Bilanzergebnisse erreichen sie. Je besser die Gemeinwohl-Bilanz-Ergebnisse der Unternehmen in einer Volkswirtschaft sind, desto größer ist das Gemeinwohl-Produkt.
4.Die Unternehmen mit guten Gemeinwohl-Bilanzen erhalten rechtliche Vorteile: niedrigere Steuern, geringere Zölle, günstigere Kredite, Vorrang beim öffentlichen Einkauf und bei Forschungsprogrammen et cetera. Der Markteintritt wird dadurch für verantwortungsvolle AkteurInnen erleichtert; und ethische, ökologische und regionale Produkte und Dienstleistungen werden billiger als unethische, unökologische und globale.
5. Die Finanzbilanz wird zur Mittelsbilanz. Finanzgewinn wird vom Zweck zum Mittel und dient dazu, den neuen Unternehmenszweck (Beitrag zum allgemeinen Wohl) zu erreichen. Bilanzielle Überschüsse dürfen verwendet werden für: Investitionen (mit sozialem und ökologischem Mehrwert), Rückzahlung von Krediten, Rücklagen in einem begrenzten Ausmaß; begrenzte Ausschüttungen an die MitarbeiterInnen sowie für zinsfreie Kredite an Mitunternehmen. Nicht verwendet werden dürfen Überschüsse für: Investitionen auf den Finanzmärkten (diese soll es gar nicht mehr geben), feindliche Aufkäufe anderer Unternehmen, Ausschüttung an Personen, die nicht im Unternehmen mitarbeiten, sowie Parteispenden. Im Gegenzug entfällt die Steuer auf Unternehmensgewinne.
8. Die Einkommens- und Vermögensungleichheiten werden in demokratischer Diskussion und Entscheidung begrenzt: die Maximal-Einkommen auf zum Beispiel das Zehnfache des gesetzlichen Mindestlohns; Privatvermögen auf zum Beispiel zehn Millionen Euro; das Schenkungs- und Erbrecht auf zum Beispiel 500 000 Euro pro Person; bei Familienunternehmen auf zum Beispiel zehn Millionen Euro pro Kind. Das darüber hinausgehende Erbvermögen wird über einen Generationenfonds als „Demokratische Mitgift“ an alle Nachkommen der Folgegeneration verteilt: gleiches „Startkapital“ bedeutet höhere Chancengleichheit. Die genauen Grenzen sollen von einem Wirtschaftskonvent demokratisch ermittelt werden.
9. Bei Großunternehmen gehen ab einer bestimmten Größe (zum Beispiel 250 Beschäftigte) Stimmrechte und Eigentum teil- und schrittweise an die Beschäftigten und die Allgemeinheit über. Die Öffentlichkeit könnte durch direkt gewählte „regionale Wirtschaftsparlamente“ vertreten werden. Die Regierung soll keinen Zugriff/kein Stimmrecht in öffentlichen Unternehmen haben.
10. Das gilt auch für die Demokratischen Allmenden, die dritte Eigentumskategorie neben einer Mehrheit (kleiner) Privatunternehmen und gemischt-besessenen Großunternehmen. Demokratische Allmenden (auch „Commons“) sind Gemeinwirtschaftsbetriebe im Bildungs-, Gesundheits-, Sozial-, Mobilitäts-, Energie- und Kommunikationsbereich: die „Daseinsvorsorge“.
12. Nach dem Vorschlag von John Maynard Keynes wird eine globale Währungskooperation errichtet mit einer globalen Verrechnungseinheit („Globo“, „Terra“) für den internationalen Wirtschaftsaustausch. Auf lokaler Ebene können Regiogelder die Nationalwährung ergänzen. Um sich vor unfairem Handel zu schützen, initiiert die EU eine Fair-Handelszone („Gemeinwohl-Zone“), in der gleiche Standards gelten oder die Zollhöhe sich an der Gemeinwohl-Bilanz des Hersteller-Unternehmens orientiert. Langfristziel ist eine globale Gemeinwohl-Zone als UN-Abkommen.
13. Der Natur wird ein Eigenwert zuerkannt, weshalb sie nicht zu Privateigentum werden kann. Wer ein Stück Land für den Zweck des Wohnens, der Produktion oder der Land- und Forstwirtschaft benötigt, kann eine begrenzte Fläche kostenlos nutzen. Die Überlassung ist an ökologische Auflagen und an die konkrete Nutzung geknüpft. Damit sind Landgrabbing, Großgrundbesitz und Immobilienspekulation zu Ende. Im Gegenzug entfällt die Grundvermögenssteuer.
15. Die Erwerbsarbeitszeit wird schrittweise auf das mehrheitlich gewünschte Maß von dreißig bis 33 Wochenstunden reduziert. Dadurch wird Zeit frei für drei andere zentrale Arbeitsbereiche: Beziehungs- und Betreuungsarbeit (Kinder, Kranke, SeniorInnen), Eigenarbeit (Persönlichkeitsentwicklung, Kunst, Garten, Muße) sowie politische und Gemeinwesenarbeit. Infolge dieser ausgewogeneren Zeiteinteilung würde der Lebensstil konsumärmer, suffizienter und ökologisch nachhaltiger.
16. Jedes zehnte Berufsjahr ist ein Freijahr und wird durch ein bedingungsloses Grundeinkommen finanziert. Menschen können im Freijahr tun, was sie wollen. Diese Maßnahme entlastet den Arbeitsmarkt um zehn Prozent – die aktuelle Arbeitslosigkeit in der EU.
17. Die repräsentative Demokratie wird ergänzt durch direkte und partizipative Demokratie. Der Souverän soll seine Vertretung korrigieren, selbst Gesetze beschließen, die Verfassung ändern und Grundversorgungsbereiche – Bahn, Post, Banken – kontrollieren können. In einer echten Demokratie sind die Interessen des Souveräns und seiner Vertretung ident – Voraussetzung dafür sind umfassende Mitgestaltungs- und Kontrollrechte des Souveräns.
19. Um die Werte der Gemeinwohl-Ökonomie von Kind an vertraut zu machen und zu praktizieren, muss auch das Bildungswesen gemeinwohlorientiert aufgebaut werden. Das verlangt eine andere Form von Schule sowie andere Inhalte, z. B. Gefühlskunde, Wertekunde, Kommunikationskunde, Demokratiekunde, Naturerfahrenskunde und Körpersensibilisierung. [1]
unsere Bewegung unterstützt alle alternativen Wirtschaftsmodelle jenseits des Kapitalismus und fordert:
Das oberste Ziel aller gesellschaftlichen Arrangements ist das menschliche Wohlsein, bei gleichzeitiger Verhinderung menschlichen Leids!
[1] Gemeinwohlökomomie 20 Punkte-Zusammenfassung www.gemeinwohl-ökonomie.org
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